Der größte Feind der Kreativität

Der größte Feind der Kreativität

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„Der größte Feind der Kreativität ist die Angst vor dem inneren Kritiker und der Bewertung Außenstehender.“

Jeder, der dieses Zitat liest, weiß genau wovon ich spreche. In der heutigen Zeit, wo viele sich die Freiheit nehmen sich sofort und verletzend zu äußern, ist eine unbekümmerte Entfaltung und Ideenentwicklung kaum mehr möglich. Im beruflichen Umfeld der Teamarbeit ist dies eine fatale Eigenschaft. Keiner traut sich mit seinen Ideen herauszukommen aus Angst vor Fehlern, Versagen oder von anderen abgestraft zu werden. Meiner Meinung nach sollten Vorgesetzte sich sehr genau anschauen, wen sie einstellen, um ein gutes und vertrauensvolles Arbeitsklima zu gewährleisten.

Das größere Problem ist jedoch zuallererst der innere Kritiker, der sofort in eine Bewertung übergeht. Bewertungen und Urteile sind in einem frühen Stadium der Tod der Kreativität und viele Projekte und Ideen sind daran gescheitert. Häufig zielt der innere Kritiker auf die Persönlichkeit.

Ein pausenloser Gedankenfluss begleitet uns durch den Tag und dummerweise hat er einen Kompanion als Reisegefährten gleich mit eingeladen, den wir nicht wirklich dabei haben wollen: Angst!
Mit Angst im Nacken lässt es sich schlecht zeichnen, musizieren, schreiben und all die anderen Dinge, womit wir uns beschäftigen. Ich vergleiche es in meinen Kursen immer mit dem geladenen Revolver, den man sich an die Schläfe hält: Und nun mach mal.

Wovor haben wir eigentlich Angst?

Für jeden trifft etwas anderes zu, hier ein paar Beispiele:

  • Ich habe Angst Fehler zu machen
  • Ich will mich nicht blamieren
  • Ich habe kein Talent
  • Ich bin nicht gut genug
  • Ich habe es nicht gelernt
  • Was werden die anderen bloß von mir denken?
  • Ich werde es nie schaffen
  • Ich habe keinen Abschluss
  • Ich bin dumm
  • Ich bin ungeschickt
  • Was wird ….von mir denken?
  • Ich kann kein Geld damit verdienen
  • Ich will es …… beweisen, dass ich es kann
  • Es ist mir peinlich
  • Alle anderen sind besser
  • Ich will meine Eltern nicht enttäuschen
  • Ich bin eh zu alt
  • Träume sind Schäume
  • Sei nicht albern!
  • Was glaubst Du, wer Du bist?
  • Kann ich die Erwartungen erfüllen?
  • Ich will nicht versagen

 

In dem Augenblick, wo wir kreativ sein wollen, beginnt das Hamster-Rad der negativen Gedankenflüsse und Selbstzweifel. Ich hatte früher einen Hamster und wenn er ins Laufrad stieg, konnte er mit einer Ausdauer und viele Stunden lang nachts das Haus mit dem Quietschen des Metallrades erfüllen. Genauso ist es mit den Gedanken: Einmal da, setzt er sich fest und irgendwie kommt man da nicht raus.

Warum tauchen gerade dann diese Ängste auf?

Häufig liegen in der Kindheit und Jugend Momente, in denen es zu Verletzungen der (kreativen) Seele kam. Die Verletzungen erfolgten (un)bewusst durch Familie, Freunde oder einen Lehrer, also Personen, denen man vertraut hat. Oft passiert dies mit dem Gebrauch von Scham. Brené Brown schreibt in ihrem Buch „Daring Greatly“:

Einer der Gründe warum ich mir so sicher bin, dass in den Schulen Scham existiert, ist, dass 85% der Männer und Frauen, die wir interviewt haben, sich an einen Vorfall in der Schulzeit erinnern konnten, für den sie sich so schämten, dass es ihr Selbstbild nachhaltig beeinflusst hat.

Die Hälfte der Teilnehmer konnten sich klar an Momente erinnern, in denen es um – wie ich es nenne – kreative Narben geht. Sie erinnerten sich an Momente, wo ihnen gezeigt wurde, dass sie keine guten Musiker, Schreiber, Künstler, Tänzer etc. sind. Das erklärt, warum die Dämonen der Vergangenheit so mächtig sind, wenn es um Kreativität und Neuerungen geht.

  • „Das bist der schlechteste Schüler. Du wirst es nie schaffen.“
  • „Kannst du das nicht besser?“
  • „Du bist absolut talentfrei!“
  • „Wie häufig habe ich dir gesagt, dass du es eh nie lernst.“
  • „Was soll das den für ein schreckliches Gekrickel sein?“
  • „Hoffnungslos.“
  • „Das ist ja wohl nicht dein Ernst. Damit willst du Geld verdienen. Lerne etwas Ordentliches.“
  • „Vor der gesamten Klasse ein Gedicht (etc.) der Lächerlichkeit Preis geben.

Jeder kann sich an einen solchen Moment erinnern. Jeder!
Es sind diese Momente, die in unserer Seele einen großen, roten Knopf fest verankert haben.

Einschläge aus der Zeit der Kindheit und Jugend sitzen besonders tief, weshalb sie auch im Erwachsenenalter besonders leicht wieder aktiviert werden können. „Alarmstufe rot, ich kann an nichts mehr anderes denken und mich nur schwer auf den Prozess konzentrieren.“

Wichtig ist, dass die Angst keine Oberhand gewinnt und vom Machen abhält.

Aber wie hält man seinen inneren Kritiker im Zaum und lässt ihn nicht die Oberhand gewinnen?

Damit ich mich auf meine Arbeit konzentrieren kann, funktioniert der Einsatz von Affirmationen (positiven Bestätigungen). Es geht darum mit wenigen Worten einen Zustand zu umschreiben, den man erreichen will.

Welche Eigenschaften will ich bei einem kreativen Prozess, die für mich wichtig sind?

  • „Ich bin entspannt, ich konzentriere mich, ich sehe, ich bin im Flow.“
  • „Ich bin voller Energie, die Wörter kommen leicht zu mir, ich bin im Flow.“
  • „Ich konzentriere mich, ich bin offen für alle Ideen, ich lasse es laufen.“
  • „Ich bin entspannt, ich fokussiere mich, ich erfasse die Noten, ich lasse mich fallen, ich bin im Flow.“

Ich denke, die Vorstellung, wie es funktioniert wird klar. Dieser Satz wird mehrmals wiederholt, bis der Geist ruhig wird.

Wichtig ist, dass es auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt ist, was man wirklich möchte, um die alten Gedankenspiralen zu überschreiben. Die Formulierungen sollen positiv sein und sind idealerweise vor den Arbeitsprozessen auf zusagen. Und ganz besonders wichtig: Jeden Tag sich ein paar Minuten Zeit nehmen, in sich kehren und seine persönliche Affirmation wiederholen. So kann sich der positive Gedanke festsetzen und auch in Situationen greifen, wenn der rote Knopf aktiviert wird und das Hamster-Rad sein Quietschen ertönen lässt.

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3 Antworten

  1. Claudia
    | Antworten

    Liebe Astrid,

    erst mal Gratulation zu Eurer Seite!

    Du bringst es auf den Punkt! Mein innerer Kritiker hat mich schon ganz oft daran gehindert mit meinen Bildern in die Öffentlichkeit zu gehen.
    Aber auch von außen kommen Kommentare wie zum Beispiel:“ Was machen Sie eigentlich jetzt? Malen? Bilder? Kauft den jemand heute noch Bilder von Hobbymalern? Und ich dachte schon Sie arbeiten wieder!“
    Nach solchen Sätzen fühle ich mich dann ganz klein.

    Liebe Grüße Claudia

    • Astrid
      | Antworten

      Danke Claudia und danke für deinen Mut hier einen Kommentar zu posten. Glaube mir, die Gefühle, die du beschreibst haben auch sehr, sehr viele professionelle Künstler. Denn die Kommentare bleiben auch dort nicht aus, nur mit anderem Inhalt. Zugeben tuts keiner.
      Es erfordert Mut mit seinen Sachen in die Welt hinaus zu gehen und sich den Kommentaren zu stellen.
      Ich habe neulich mir ein Podcast von Jen Groover angehört. Sie meint:
      „Nachdem ich meine innere Einstellung zu

      Fehlern geändert hatte, war Angst vor Fehlern keine Handlungsoption mehr.
      Ich habe es ersetzt, durch die Einstellung, das mein Bedauern, es nicht gemacht zu haben, größer ist, als die Angst davor Fehler zu machen“

      Fehler kannst du ohne weiteres durch Kommentare ersetzen.

  2. Ingrid Frosch
    | Antworten

    Liebe Astrid,
    Dein Zitat „Der größte Feind …“ hat mich elektrisiert – und dann deine Gedanken dazu: genau so ist es!
    Es tut mir gut, dass ich mit meinen Gefühlen über die eigene Kreativität nicht alleine bin. Das ständige Auf und Ab meines Mutes hängt oft sehr von den Reaktionen anderer ab – ist eigentlich schade.
    Ich möchte gerne dein Zitat in meinem nächsten Malkurs verwenden, den ich im kleinen Kreis öfter veranstalte. Dort ist es für mich immer die größte Freude, wenn TeilnehmerInnen mit einem eigenen Werk nach Hause gehen, das sie selbst nicht für möglich gehalten haben. Vielleicht liegt es daran, dass alle zusammen ganz ohne Kritik Außenstehender arbeiten können. Gerade diese Außenstehenden habe sicher oft gar keine Ahnung oder haben es nie selbst probiert.

    Liebe Grüße Ingrid

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